Fachvorstand Kranichschutz Deutschland zum Ausbruch der Vogelgrippe
Tausende tote Kraniche - eine unvermeidbare Naturkatastrophe?
Seit Mitte Oktober 2025 häufen sich die erschreckenden Nachrichten von toten und verendenden Kranichen an Schlafplätzen, auf Nahrungsflächen und sogar in Gärten oder auf Autobahnen. Sehr schnell war die Ursache klar: es ist die Geflügelpest in einer ihrer aggressivsten Formen (HPAI). Das derzeit aktive Virus H5N1 wird auch als hochpathogen, also sehr krankmachend, bezeichnet. Es ist eng verwandt mit dem menschlichen Grippevirus, wodurch die umgangssprachliche Bezeichnung „Vogelgrippe“ nicht ganz von der Hand zu weisen ist.
Woher kommt es? Aus dem Osten, sagen viele Beobachter, und dass es die Zugvögel mitbringen. Aber stimmt das? Richtig ist, dass eine wenig krankmachende Form des Virus (LPAI) praktisch immer in Wildvogelpopulationen zirkuliert, aber ohne solche Ausbrüche zu verursachen. Gelegentlich sterben einige wenige Vögel daran, aber ohne negativen Effekt auf die Populationen, die Schwachen und Kranken werden getroffen.
Anlässlich des Ausbruchs der HPAI im Jahr 2005/06 wurde festgestellt, dass die Herkunft des hochpathogenen Virus aus der kommerziellen Geflügelhaltung stammt. Betrachtet man die Arbeitsweise in der intensiven Geflügelhaltung, ist offensichtlich, dass virushaltige Substrate wie Kot, Gülle, andere Reststoffe in die freie Landschaft ausgebracht werden und dort für Wildvögel zugänglich werden. Federstäube sind virushaltig und luftgängig, sie gelangen mit der Zwangsentlüftung aus den Tierhaltungsanlagen nach außen und verdriften mit dem Wind.
Der Ausbruch in Israel im Dezember 2021 war exemplarisch für den Zusammenhang zwischen Intensivtierhaltung und Seuchenausbruch in Wildvogelbeständen. Die Folgen waren hochdramatisch, nicht nur über achttausend Kraniche fielen der Geflügelpest zum Opfer, sondern auch ihre Prädatoren und andere Vögel, die mit den Kranichen den Schlafplatz und die Nahrungsflächen dort teilten.
Was wir aktuell erleben müssen, ist ein Seuchengeschehen von enormem Umfang und Ausmaß, sowohl die Anzahl der Opfer als auch die Zahl der Ausbruchsorte betreffend. Mittlerweile sind fast ganz Deutschland und viele Regionen in Frankreich und Spanien intensiv betroffen. Die „Schuldzuweisung“ an die ziehenden Wildvögel ist voreilig und hypothetisch, der tatsächliche Auslöser noch unbekannt.
Wichtig ist, dass die Kadaver so schnell wie möglich von den Flächen geborgen werden, um die Ausbreitung des Erregers einzudämmen. Die Veterinärämter der Landkreise organisieren die Kadaverentsorgung. Wir Kranichschützer sind diejenigen, die ihre Augen offenhalten, dokumentieren und tote Vögel umgehend bei der zuständigen Behörde melden. Viele Kranichschützer europaweit helfen den Veterinärämtern ehrenamtlich beim Bergen der Kadaver. Jeder, der es zeitlich und organisatorisch einrichten kann, sollte Schlafplätze und Äsungsflächen in kurzen Abständen kontrollieren und auf tote Vögel prüfen. Auch Gänse oder Seeadler sind häufige Opfer!
Wie lange der Seuchenzug anhalten wird, ist unsicher, möglicherweise wird er die gesamte Herbstzugzeit lang dauern. Die Auswirkung der aktuellen Geflügelpest auf die Kranichpopulation des Westeuropäischen Zugweges ist bisher noch nicht